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Was ist mit Schalli los?

Österreichs blaublütigen Außenminister und Kurzzeitkanzler Alexander Schallenberg hat man die Diplomatie in die Wiege gelegt. Dennoch tut er sich auffallend schwer damit diplomatisch zu sein. Ob‘s an der Familientradition liegt?

Österreichs amtierender Außenminister und Kurzzeitkanzler, Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang Tassilo Schallenberg, sorgt mit holprigen, missverständlichen oder einfach nur unpassenden Aussagen immer wieder für Irritationen. Im Kreise der Opposition sowieso, aber auch am internationalen Parkett und zunehmend sogar in der Partei, deren treuer Diener Schallenberg auch ohne Mitgliedschaft ist. Frei nach Gerhard Polt, dem bayrischen Kult-Kabarettisten, könnte man vielleicht sagen, „er ist nicht in der Partei, steht der Partei aber so nahe, dass er jederzeit neutral sein kann.“

Einer von Rang und Namen.

Stammsitz des altehrwürdigen Adelsgeschlechts derer von Schallenberg ist die 1427 zerstörte Burg St. Ulrich, im gleichnamigen 640-Seelen-Dorf nahe der oberösterreichisch-tschechischen Grenze.

Auch vom Nachfolgebau, dem Schloss St. Ulrich ist heute kaum mehr übrig als ein paar Mauerreste und das laut Google-Maps „dauerhaft geschlossene“ Gasthaus „St. Ura“ - ehemals Taverne des Herrensitzes.

Warum der Volksmund die Erhebung, auf der einst des Außenministers Vorfahren residierten, bis heute „Räuberhügel“ nennt, ist hingegen nicht überliefert.

Auch nicht, ob das möglicherweise etwas mit dem Namenswechsel der „Grundherren von St. Ulrich“ zu tun hat. Ab dem 13. Jahrhundert nannte sich die Familie nämlich nach der bis heute namensgebenden Burg Schallenberg.

Also Ex-Burg halt. Auch dieses ehemals mächtige Bollwerk, hoch auf einem Felsen über der großen Mühl thronend wurde schon frühzeitig dem Verfall preisgegeben. In Kupfer gestochen.

Schon als Georg Matthäus Vischer 1674 durch die Lande zog um alles von Rang, Namen und dickem Mauerwerk für seine Topographia Austriae in Kupfer gestochen festzuhalten, waren vom Schallenberg‘schen Familiensitz nur noch ein paar bewaldete Steinhaufen zu sehen.

Vischer hats offensichtlich nicht gestört. Einmal was anderes neben den ganzen Zinnen, Türmchen und Erkern.

Ob die Burg aufgegeben wurde, weil man draufgekommen ist, dass die observierte „große Mühl“ doch etwas kleiner ist als ihr Name vermuten lässt oder weil schon damals die Heizkosten des alten Kastens durch die Decke gingen? Vielleicht frag ich den Außenminister mal, er muss es wissen. Nach Umwegen ist der „Bauplatz“ heute wieder in seinem Besitz.


Tu felix Alexander nube. Und so ganz nebenbei passt auch die Heiratspolitik unseres Chefdiplomaten. Durch Schallenbergs Hochzeit mit der Französin Marie-Isabelle Hénin heiratete er in den Staatsadel der Grande Nation ein. Berühmtheiten wie Architekt Noël Le Maresquier oder Ex-Premier Michel Debre gehören seither zum Stammbaum, zumindest der nächsten höchstwohlgeborenen Generation. Dass die Ehe am Ende, wie schon zuvor diverse Burgen und Schlösser, zu Bruch ging, taugt heutzutage nicht mehr zum Vorwurf. It’s 2022.

Was ist mit Schalli los?

Von und zu Schallenberg bringt demnach alles mit, was man im auswärtigen Dienst des Kaiserreichs – pardon der Republik natürlich – braucht. Warum sich der Brechstangendiplomat im Porzellanladen dennoch so schwer tut den richtigen Ton zu finden, verwundert.

Erstmals dem gleißenden Rampenlicht der Kanzlerschaft ausgesetzt, wurde da etwa unserer heiligen Gerichtsbarkeit vorgegriffen und seinem noch heiligeren Amtsvorgänger gleich einmal die Absolution erteilt. Die Suppe sei zu dünn, der Sebastian natürlich unschuldig.

Und, als würde Schallenberg den Sprung von Fettnapf zu Fettnapf zur erquicklichsten Form der Leibesertüchtigung erkoren haben, warf er kurz darauf auch noch den betreffenden Ermittlungsakt vor laufenden Kameras zu Boden.

Nicht nur „Chefanklägerin“ Meinl-Reisinger war davon „not amused“ und die Entschuldigung des Neo-Kanzlers fürs „Zurseitelegen“ deutlich zu spät.

Doch was kümmert uns das Geschwätz von gestern, wie schon der große Konrad Adenauer wusste. Das einzig Entscheidende sei doch dazuzulernen und klüger zu werden.

Schaut man sich dann aber an wie Schallenberg der Ukraine-Phalanx seiner Parteifreunde und Amtskollegen in die Seite grätscht, lässt das den erhofften Lerneffekt doch bitter vermissen. Geschichtsrevisionistisch wird da die österreichische Anschlussfreude von 1938 mit dem russischen Überfall gleichgesetzt, den geschundenen Ukrainern die Perspektive auf einen EU-Vollbeitritt verwehrt und zu guter Letzt unsere geliebte und immerwährende Neutralität zur Folklore verniedlicht – an der man dennoch festhalten solle.

„Ich weiß nicht was mit Schalli in letzter Zeit los ist…“ twitterte dazu Parteifreund und EU-Erweiterungskommissar „Gio“ Hahn und meinte wohl, „Hättest du geschwiegen, wärst du Diplomat geblieben.“

Bleibt die Hoffnung, dass vom Schallenberg‘schen Wirken am Minoritenplatz mehr übrig bleibt, als ein paar bewaldete Steinhaufen.


(Kolumne erschienen auf exxpress.at am 06.05.22)





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