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Vorwahlen in Rot

Das zarte Pflänzchen parteiinterner Demokratie soll nun die krisengebeutelte Sozialdemokratie retten. Doch erneut droht der vielversprechende Versuch an Noch-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner zu scheitern...

Headlines.

Eines muss man der Rendi-SP lassen, die Headlines gehören ihr. Zuerst der schwelende Streit zwischen Parteichefin und ihrem ewigen Herausforderer. Dann der Showdown samt Nicht-Entscheidung im hohen Präsidium und jetzt die Ausflüsse fortgesetzten und totalen Führungsversagens.

Das Ende mit Schrecken wird weiter aufgeschoben. Im Titanic-Modus klammert man sich an Sessel und Strohhalme. Die Dekadenz des Fin de Siècle als Blaupause einer Partei, die immer noch nicht kapiert was los ist.

Mit 140.000 Mitgliedern und millionenschwer aus öffentlichen Mittel gefördert, hält man sich im Politbetrieb für unverzichtbar. So unverzichtbar, dass es angebracht scheint, sich eine Auszeit zu gönnen und Casting Show zu spielen.

Statt über den täglichen Einkauf zu reden, der Herr und Frau Österreicher heute um rund 17% (!!!) mehr kostet als noch vor einem Jahr, spricht die SPÖ lieber über sich selbst.

Statt Perspektiven zu entwickeln, wie unser Land seine „Neutralität“ ohne sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei leben kann, wird die eigene Perspektive auf drei Monate internen Wahlkampf verkürzt.

Und anstatt der großen Energie-Abzocke der großen Konzerne entgegenzutreten, tritt man lieber auf der Stelle. Ein jämmerliches Schauspiel.

Nur den Kommunikationschef freuts. Die „Reactions“ seien nämlich der Wahnsinn und sogar von Nehammers Wahlkampfauftakt – vulgo „Rede an die Nation“ hört man nichts mehr. Stimmt.

Der Flugzeugabsturz sticht medial ja auch den Auffahrunfall aus. Gut gemacht ihr Strategen!


Aus altem Holz geschnitzt.

Dabei ist selbst das Bild der eigenen Stärke trügerisch. Im Durchschnitt sind die Genossen unglaubliche 63 Jahre alt. „Senior:innen stimmen über die Zukunft der SPÖ ab“ titelt das „Profil“. Wobei die Überalterung in der Realität noch gravierender sein dürfte. Wer sich‘s ein bisschen auf die Tücken der Statistik versteht, weiß, dass beim rechnerischen Durchschnitt, die Extremwerte das Resultat verzerren.

Sprich, wenige, sehr junge Mitglieder, aus Jugendorganisationen, Studentenverband und Co. drücken den Schnitt. Das Gros der Mitglieder wird demnach deutlich älter sein.

Was dann auch erklärt, warum die Partei nach eigenen Angaben in den letzten drei Jahren netto rd. 18.000 (!) Mitglieder verlor.

Der eine oder andere mag aus Protest hingeschmissen haben. Wieder andere wollen es sich sparen inflationsangepasste Mitgliedsbeiträge an eine Partei zu zahlen, der jedes Rezept gegen die Inflation fehlt.

Der Großteil der Genossen wird mittlerweile jedoch (ich mutmaße) nach §11 Abs. 1, erster Halbsatz des Organisationsstatutes, ausscheiden weil dahinscheiden.

Und das ist nur eine der vielen Realitäten, die den meterdicken Beton des Parteibunkers bisher nicht zu durchdringen vermögen. Rein rechnerisch ist in 23 Jahren Schluss. Mitgliederstand: 0.

Die Sozialdemokratie heute ist wie eine dieser mächtigen, allen Stürmen und Widrigkeiten trotzende, Eichen, die bei genauem Hinsehen doch nichts anderes als ein alter morscher Baum ist.

Es wird noch dauern, bis er zusammenbricht. Mehr nicht.


Aufbruch durch Demokratie?

Doch jetzt soll alles anders werden. Im hohlen, morschen Stamm, das zarte Pflänzchen parteiinterne Demokratie gedeihen. Die Mitglieder werden gefragt, dürfen endlich ein Machtwort sprechen – entscheiden wer sie führen soll. Wird’s dadurch besser? Vermutlich nicht.

Da die Amtsinhaberin noch im Rennen ist, geht die Perspektive nach vorne verloren. Statt eines Neustarts, gibt’s den Überlebenskampf – auf offener Bühne.

Fällt zudem die Entscheidung auf 0-Variante Rendi: hätte man sich den ganzen Zauber auch gleich sparen können.

Gewinnt Doskozil gäb‘s zwar die riesen Chance aus diversen Sackgassen der Vergangenheit auszubrechen. Insbesondere nach einem polarisierenden internen Wahlkampf könnten sich grundlegender Richtungswechsel und Reformen aber zum finalen Sturm zusammenbrauen, dem das alte Gehölz dann nicht mehr gewachsen ist.

Oder freut sich gar der Dritte? Parteirebell (auch schon ein inflationärer Begriff) Niki Kowall, der nun auch seinen Hut in den Ring geworfen hat? Der linke Aufsteiger ist bundespolitisch die große Unbekannte. Wäre er bereit sozialdemokratische Politik durchzusetzen, Bündnisse zu schmieden, die Otto-Normalbürger zu verstehen und ins Boot zu holen? Oder würde auch er sich in „Kulturbereicherungsromantik“ verlieren, schmollend und allein im gutmenschlichem Eckerl stehen, während Schwarz-Blau-Grün das Land umgraben?

Man darf gespannt sein…

(Kolumne erschienen auf exxpress.at am 24.03.23)





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