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Kocher in der Teilzeit-Falle

Minister Unbekannt will sich politisch einen Namen machen und landet per Bauchfleck im Fettnapf. Mein Rat: Wenn sich AK und WKÖ mal einig sind: Finger weg!

Minister Unbekannt

Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher studierte Volkswirtschaft an der Uni Innsbruck, wo er später auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Mit Stationen an den Universitäten München, Amsterdam, Norwich und Göteborg begann seine akademische Karriere fahrt aufzunehmen, ehe er ab 2016 das renommierte Wiener Institut für höhere Studien (IHS) als wissenschaftlicher Direktor leitete und zuletzt sogar dem Fiskalrat (FISK) vorstand.

Mit anderen Worten: In Österreich wusste kaum jemand, dass der Mann überhaupt existiert. Tragisch.

Ein Makel den er Anfang Jänner 2021 eigentlich los werden sollte. Mit der Angelobung zum neuen Ressortchef für Arbeit und Wirtschaft wurde Kocher auf die ganz große Bühne gestellt. Bereit seine aufgestauten Weisheiten endlich mit uns Menschen zu teilen.

Dank Corona ging der wenig prickelnde Flug unterm Radar aber weiter. Gesundheitsminister, Expertinnen und Experten, GECKO und Co. ließen kaum Platz für den Zahlenfuchs in haarloser Pracht: „Arbeitsminister Kocher berichtet über Ausgaben für Corona-Kurzarbeit und Sonderbetreuungszeit…“ mehr als den COVID-Stars das Wasser nachzutragen war da nicht drin. Bis jetzt!


Frozen

Beflügelt durch die ersten wärmenden Strahlen der Frühlingssonne und endlich freigesprochen von pandemisch induzierten Aufmerksamkeitshierarchien, wagte Martin Kocher im Kurier den Befreiungsschlag, fordert Sozialkürzungen bei Teilzeitarbeit – um Vollzeitbeschäftigung „attraktiver“ zu machen.

Wow. Für ihn muss sich das angefühlt haben wie die Szene aus Frozen (Die Eiskönigin) als Heldin Elsa endlich zu dem steht, was sie ist, kräftig aufstampft und mit dem Brustton der Überzeugung losschmettert: „Was war, ist jetzt vorbei. Hier bin ich in dem hellen Licht und ein Sturm zieht auf. Die (soziale) Kälte ist nun ein Teil von mir.“

Doch ganz anders als in Frozen: Stille. Wieder kein Applaus für Martin K. Im Gegenteil.

Bei der Opposition verbeißt man sich leidenschaftlich in das geworfene Steckerl: Mütter, Alleinerziehende, Menschen die Care-Arbeit in der Familie leisten – unterm Strich hauptsächlich Frauen – sie alle wären von Kochers-Verschlimmbesserung massiv betroffen und benachteiligt. Recht haben Sie!

Doch selbst in den eigenen Reihen, dort wo sozialer Kahlschlag vermeintlich immer ein paar Mitarbeitspunkte bringt, nur betretenes Schweigen und ein Kanzler, der ausrückt um zu retten, was zu retten ist.

Weil natürlich hat der Martin das nicht so gemeint, wie er es sagte, sondern ganz anders. Das muss man dem Herrn Uni.-Prof. Turboakademiker (siehe oben) schon mal nachsehen. Nicht jeder ist in der Lage so zu sprechen, dass man ihn auch versteht und nicht jeder dahergelaufene Minister kann sich auf mehr als 100 persönliche PR-Berater verlassen. Das bleibt auch zukünftig ein Privileg des Kanzlers.


Eine Idee auf die man kommen kann.

Ganz grundsätzlich, also ohne wirklich nachzudenken, kann man auf die Idee natürlich schon kommen: Vollzeitjobs attraktiver zu machen, indem man Menschen in Teilzeitbeschäftigung drangsaliert. Absolut gewinnt man dabei nichts. Relativ schon.

So, als würde ich den glänzenden Neuwagen des Nachbarn demolieren, damit mein rostiger Kübel wieder etwas besser dasteht – weil zumindest fahrtüchtig.

Hätte der Minister aber ein bisschen weniger an den Fame gedacht und stattdessen recherchiert, dann wären ihm abgesehen von der Geschichte mit den Frauen und der Care-Arbeit zwei politisch ganz essenzielle Dinge aufgefallen: Erstens: Die AK ist dafür und Zweitens: die WKÖ auch. Letztere schwärmt sogar davon, dass Teilzeit „Flexibilität und Wohlstand fördert“, „Zufriedener macht“ und – in dem Zusammenhang ganz wichtig – „Vollzeitarbeit durch Teilzeit NICHT verdrängt wird“.

Das eine hat mit dem anderen also nichts zu tun. Wer Teilzeitarbeit unattraktiver macht, indem er die Beschäftigten durch das soziale Netz fallen lässt, provoziert ein neues (weibliches) Arbeitspräkariat. Punkt.

Und wer dann wie PR-Kanzler Nehammer hergeht und sagt, dass manche Gruppen davon natürlich ausgenommen wären, der muss dann auch dazusagen, dass deren Status ständig überwacht, notfalls sanktioniert gehört. Bürokratiemonster inklusive und die fressen in der Regel ja mehr weg als eingespart wird. Siehe Zusammenlegung der Krankenkassen und die verschwundene „Patientenmilliarde“. Also lieber Martin Kocher: Man kann von AK und WKÖ halten, was man will, aber wenn die sich mal einig sind, dann: Finger weg! (Kolumne erschienen auf exxpress.at am 24.02.23)





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