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Krone: "Wen schickt Oberösterreich nach Brüssel?"

Im Auftrag der Kronenzeitung Oberösterreich, hat Politikexperte Markus P. Vogtenhuber den Wahlkampf der Oö-Kandidaten kommentiert. Erschienen in Print und online am 07.06.2025. Hier als Longread.

Hier geht's zum Krone online Beitrag: https://www.krone.at/3406592

ÖVP mit Angelika Winzig.  Ex-Europapartei im Rückzugskampf „für Oberösterreich“.

Mit Außenminister Alois Mock an der Drahtschere war die ÖVP ganz vorne mit dabei, als 1989 der eiserne Vorhang zerschnitten und sechs Jahre später unser EU-Beitritt mit einem Busserl besiegelt wurde. Im kleinen Österreich traute man sich groß zu denken. Europäisch. Mit höheren Zielen vor Augen, der Zukunft entgegen. Nicht nur, aber auch ein Verdienst der Volkspartei.

Schaut man sich den aktuellen EU-Wahlkampf der einstigen Europapartei in Oberösterreich an, bleibt vom großen Erbe wenig über. Vom großen Anspruch noch weniger. Man konzentriert sich auf die kleinen Dinge. Auf Plakaten wird „Winzig“ großgeschrieben, Europa im Subtext. Gemeint ist die Spitzenfrau fürs Neo-Volksparteiliche Biedermeier: EU-Parlamentsabgeordnete Angelika Winzig. Sie wünscht sich „mehr Oberösterreich in Brüssel!“, gratuliert auf Social-Media zum Muttertag oder klärt ihre Follower über Milch als „ein gesundes, wertvolles und regionales Lebensmittel“ auf. Immerhin befänden sich 25 % aller Milchbauern des Landes in Oberösterreich. Dankeschön! War mir neu.Aber Europa? Die massiven Herausforderungen, vor denen unser Kontinent, unsere Art zu leben und letztlich unsere Demokratien stehen? Die steigende Bedrohung durch Masseneinwanderung und Krieg? All das, was das Hohe Haus der europäischen Volksvertretung tatsächlich zu beschäftigen hat und es auch tatsächlich beschäftigen wird? Man muss schon genau suchen, um darauf ein paar vage Antworten zu finden: „Sichere Außengrenzen“ brauchts und eine rasche Umsetzung des europäischen „Asyl- und Migrationspaktes“, liest man auf der Winzig-Website ganz unten. Ganz oben: Wieder „Oberösterreich“ und das Totschlagargument schlechthin: „Hausverstand!“ Ja, den braucht's natürlich auch im EU-Parlament. Hausverstand! Von Haus aus gut! Verstanden? Dann kann nichts mehr schief gehen, da sind sich die Kampagnenexperten des Heinrich-Gleißner-Hauses sicher. Aber die Vision? Der Versuch, Europa wieder groß zu denken? Die Winzig-Kampagne hat dafür scheinbar keinen Platz.

Strategisch, ist natürlich alles klar. Eine Partei wie die ÖVP leistet sich bei Kampagnen kaum Fehler, sondern Profis, die ihr sagen, was sie zu tun hat. In diesem Falle: 1. Die Reihen schließen/ Stammwähler mobilisieren. 2. Auf Stärken, lokale Erfolgsgeschichten und Persönlichkeiten aufbauen, um dadurch 3. den Abfluss von Stimmen – hauptsächlich zur Freiheitlichen Partei – so weit wie möglich zu begrenzen.  Als Konsequenz der zurückliegenden, politisch wie innerparteilich durchaus turbulenten Jahre gibt’s für die Türkisen aktuell nämlich kaum etwas zu gewinnen. Das sagen uns alle Umfragen. Die Strategie, schwankende ÖVP-Wähler mit Lokalkolorit abzuholen, sie an den beliebten Landeshauptmann und das auf tiefschwarzer Scholle gebaute Oberösterreich zu erinnern, könnte aufgehen. Parteipolitisch haben Winzig, Stelzer und Co. damit alles richtig gemacht. Europapolitisch wäre deutlich mehr drinnen gewesen. Gerade jetzt.

SPÖ mit Hannes Heide  Verschenkt wird der Sieg woanders.

Oberösterreichs Sozialdemokraten gehen mit dem ehemaligen Bad Ischler Bürgermeister Hannes Heide als Spitzenkandidat ins Rennen.  Auf der Bundesliste am Kampfmandat platziert, ist die SP-Kampagne wesentlich weniger auf Heide zugeschnitten, als es bei seinem volksparteilichen Pendant der Fall ist.

Zu stören scheint ihn das nicht. Heide, der sich selbst – nicht zu Unrecht – als Anpacker aus einfachen Verhältnissen bezeichnet, tut genau das. Taferl haltend und Flyer verteilend wird durchs Land getourt, für „Ein Europa der Möglichkeiten“ geworben, der Wahltermin getrommelt und aufgeklärt, was das Zeug hält: Bei jeder Entscheidung in Brüssel sei nämlich auch immer mindestens ein Österreicher dabei, steht auf einem der Schilder. Strategie der Genossen ob der Enns ist ein klassischer Grassroots-Wahlkampf. Keine große Inszenierung, stattdessen authentisch bei und mit den Leuten.

Hannes Heide bringt seine Erfahrung als Stadtchef und – hört, hört – ehemaliger Tourmanager von Hubert von Goisern ein. Da musst du mit den Leuten können. Anders geht’s nicht, anders schaffst du auch keine 71 % gegen zwei Mitbewerber im Rennen um den Bürgermeistersessel. Heide gelang dieses Kunststück beim letzten Antreten 2015.

Doch wo Licht, da auch Schatten. So eine Kampagne an der „Graswurzel“ kostet Kraft, Zeit und Reichweite. Im direkten Gespräch lassen sich einzelne Menschen überzeugen, motivieren, doch zur Wahl zu gehen und vielleicht sogar für eine Vorzugsstimme gewinnen. An der (kritischen) Masse geht das aber immer vorbei. Die abzuholen, ist Aufgabe des Bundes-Spitzenkandidaten und der reichweitenstarken Plattformen, die ihm zur Verfügung stehen. Geht’s nach den Umfragen, scheint das Andreas Schieder aber nur bedingt zu gelingen. Vielleicht ist er – der selbst viel lieber Bürgermeister, statt EU-Abgeordneter geworden wäre – auch einfach nicht das richtige Zugpferd. Und vielleicht ist es – wie schon so oft –  auch wieder einmal zu wenig, vor einem Rechtsruck in Europa zu warnen, um die Massen von sich zu begeistern? Ein Europa, das dringend Lösungen und neue Perspektiven braucht. Vor allem bei Migration und Sicherheit. 

 

FPÖ mit Roman Haider Auf der Siegerstraße ins EU-Parlament

Mit Jörg Haider, dem ehemaligen Kärntner Landeshauptmann und nach wie vor Säulenheiligen vieler Freiheitlicher verbindet OÖ-Spitzenkandidat Roman Haider, bis auf den Nachnamen, wenig. Weder verwandt noch verschwägert, wie es so schön heißt. Und auch der breiten Öffentlichkeit ist der Landes-Haider im Gegensatz zum Über-Haider eher kein Begriff. Ganz anders parteiintern: Mit Stationen als Landesobmann des Rings Freiheitlicher Jugend, im Gemeinderat, als Mitglied des Landesparteivorstandes, Vertreter freiheitlicher Wirtschaftstreibender, bis hin zu Mandaten in Nationalrat und EU-Parlament, kann man Unternehmensberater Haider zum Kaderpersonal der Blauen zählen. Seine Mitgliedschaft in mehreren schlagenden Burschenschaften, gehört da zum guten Ton und bedarf keiner weiteren Erwähnung. Ok, ich hab‘s trotzdem getan.

Mit Haiders Biografie ist dann auch schon seine Rolle im Wahlkampf und der OÖ-Kampagne – erklärt: Gut vernetzt, soll Roman Haider dafür sorgen, dass nichts schiefläuft. Schaut man sich die Umfragewerte der Blauen an, geht’s darum die Pole-Position in einen Start-Ziel-Sieg zu verwandeln. Themenkonjunktur und Alleinstellungsmerkmal sind wieder da – nicht zuletzt durch ungebremste Massenzuwanderung und immer wieder abscheuliche Gewalttaten sogenannter „Flüchtlinge“. Aktuellstes „Stichwort“ im traurigsten Wortsinne: Mannheim.Unter diesen Voraussetzungen erledigt sich der FP-anti-migrations-Wahlkampf fast von selbst. Fehler müssen trotzdem vermieden, potenzielle Wähler und Funktionäre zum Gang an die Wahlurne motiviert werden. Einen sicher geglaubten Sieg auf den letzten Metern zu verschenken, ist immer drinnen und die FPÖ bekannt dafür, sich gerade dann selbst ins Knie zu schießen, wenn’s einfach mal wieder zu gut läuft. Routiniers wie Roman Haider sollen das verhindern. 

NEOS mit Rainer Hable Schilling sei Dank, ein rosa Streif am Horizont. 

Rechtsanwalt Rainer Hable geht als erster Nicht-Wiener-Kandidat von Platz vier der NEOS-Liste ins Rennen. Ein Mandat scheint damit für den Oberösterreicher ausgeschlossen – zumindest im ersten Anlauf. Zwar können sich die Pinken laut aktuellen Umfragen auf ein deutliches Plus freuen, spätestens nach 3 Sitzen dürften aber auch die positivsten Szenarien enden. Dennoch bleibt das erste Aufatmen nach langer elektoraler Durststrecke zu erwarten. In Salzburg flog man 2023 aus dem Landesparlament, 2024 folgte der Abschied aus dem Innsbrucker Stadtgemeinderat - da tut so ein kleiner Rosa-Streif am EU-Horizont gut und erleichtert die Selbstfindung.     Immerhin: Neos denken groß, den Vorwurf kann man ihnen nicht machen. Gemeinsam mit Listenersten Helmut Brandstätter, will Hable nichts weniger als „die vereinigten Staaten von Europa“ aus der Taufe heben.

Grassroots wird dafür um die nötigen Stimmen gebuhlt. Im schicken Neos-Brand-Shirt, oder wenn‘s das Wetter erfordert, auch umringt von pinken Groupies im hippen EU-Hoodie. Navyblau mit Sternenkranz. Die Frage ist, nimmt ihnen das einer ab? Glaubt tatsächlich irgendein Neos Wähler – vom Anwalt, über die Erbin, bis hin zum BWL-Studi – daran, dass seine Stimme die Union auch nur einen Millimeter weiter in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa bringt? Bei prognostizierten 3 von 705 Mandaten?Oder profitieren Neos lediglich als Next Best Option vom grünen Pleiten-Pech und Pannen Wahlkrampf? Ich tendiere zu Letzterem. Eine goldene Regel der Politikberatung lautet: Darauf schauen, dass sich die Klienten nicht übernehmen. Ziele müssen glaubwürdig sein, irgendwie zu Kompetenz und Einfluss passen. Geht sich das nicht aus, wird aus der Vision, schnell die Halluzination - meist samt bösem Erwachen. Dank Lena Schilling dürfte Hable und Co. der Hangover aber diesmal erspart bleiben.

Grüne mit Ines Vukajlović Mit sympathischem Lächeln irgendwie drüber retten.

Ines Vukajlović spricht fließend oberösterreichischen Dialekt und Serbokroatisch. Dass wir Wähler das Wissen, ist der jungen Landtagsabgeordneten und Integrationsreferentin wichtig. Fast jedes zweite Posting auf Instagram ist zweisprachig. Teilweise mit Schützenhilfe von Parteikollegin und Justizministerin Alma Zadic. Beide ad personam Beispiele für übertrieben gelungene Integration. Vom Flüchtlingskind zur Spitzenpolitikerin – in nur einer Generation. Das ist bemerkenswert und etwas, das sie gerne herzeigen: „Integrationsvordergrund“, wenn man so will. Im Prinzip ja auch ok und durchaus vorbildhaft, wenn es jemand schafft, das, was andere vielleicht als Schwäche oder Makel empfinden, in eine Stärke zu verwandeln. Auch im aktuellen Wahlkampf scheint das Motto „Nimm was du hast und mach etwas daraus“, für Ines Vukajlović wieder mehr Antrieb zu sein, als ihr vielleicht lieb ist. Spätestens seitdem Skandalnudel Lena Schilling der Grünen Kampagne wie ein Mühlstein um den Hals hängt, dürfte Vukajlović Mandat dahin sein. Umfragen prognostizieren der Ökopartei Einstelligkeit. Von knapp über 14 % der Stimmen geht’s runter auf rd. 9 % mit zwei statt ehemals drei Sitzen in Brüssel. In so einer Bewegung ist man sich deshalb aber nicht bös, sondern immer total solidarisch. Selbst wenn die Bundes-Grüne Spitzenkandidatin erst kürzlich in Chats verriet, niemanden so sehr gehasst zu haben, wie die Grünen.Der Rest ist Partei-Folklore: Gegen Rechtsextremismus, Klimaschock und Hitzetod, für Multi-Kulti unterm Regenbogen und ein bisserl Radlfahren. Ob diese Grüne Welle noch zum Reiten taugt? Es darf gezweifelt werden.



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