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Österreich im Erdo-Wahn.

Knapp 74% der in Österreich lebenden, wahlberechtigten Türkinnen und Türken haben Langzeitmachthaber Recep Tayyip Erdoğan im Amt bestätigt. Warum uns das zurecht nicht gefällt, der türkischen Demokratie aber zurecht wurscht ist:

Die große Hoffnung.

Spätestens seit Winston Churchills launiger Feststellung wissen wir Bescheid. Demokratie ist mit großem Abstand die schlechteste Staatsform – ausgenommen natürlich alle anderen. Dennoch, dem gelernten Österreicher ist klar: Landet die Stimme in der Urne, begräbt man seine Hoffnungen und Ideale am besten gleich mit. Denn erstens kommt es anders und zweitens als gedacht.

Spätestens wenn aus dem großen KO-Schlag wieder nur ein Pyrrhussieg nach Punkten wurde. Wenn klar ist, dass sich die Wunschkoalition erneut nicht ausgeht und einem der Zwangspartner die feinsten Luftschlösser lustvoll vom Himmel holt – dann ist wieder Katerstimmung angesagt. Also bei uns im Staate Österreich halt.

Dass es auch anders laufen kann, beweisen gerade hunderttausende Türkinnen und Türken der Diaspora. Quer durch Europa feiern sie den Wahlsieg ihres Kandidaten Recep Tayyip Erdoğan.

Erstmals in eine Stichwahl gezwungen, konnte sich der Langzeitmachthaber, knapp aber doch, gegen seinen sozialdemokratischen Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu durchsetzen.

Auch dank vieler Wählerinnen und Wähler, die „ihrer“ Türkei maximal im Urlaub die Stange halten. Mehr als 2/3 der Wahlberechtigten in Deutschland und Frankreich stimmten für Erdoğan. In den Niederlanden waren es knapp über 70, in Belgien und Österreich sogar rd. 74%.

Kollektives Links-Gejammere

Und wieder war sie da, die österreichische Nachwahl-Katerstimmung. Während Erdo-Fans ihren Türkenstolz beim Fahnenschwingen, Wolfsgrüßen und Proletieren in – zumeist – deutschen Luxuslimousinen zelebrierten, griff man sich in der Links-Twitteria kollektiv an die strapazierte Denkerstirn.

Warum nur? Wie können Menschen alle Freiheiten des Westens genießen, ja für sich in Anspruch nehmen, ihren daheimgebliebenen Landsleuten aber ebendiese verwehren?

Das Regime eines Präsidenten stützen, der wegen islamistisch motivierter „Aufstachelung der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft“ 10 Monate mit gesiebter Luft therapiert wurde?

(Konkret wird dem freundlichen Schnauzer vom Bosporus unterstellt, bei einer Rede in Ost-Anatolien davon geschwafelt zu haben, dass „Minarette - Bajonette, Kuppeln - Helme, Moscheen - Kasernen und Gläubige - Soldaten“ wären. Genug jedenfalls, dass es der damals noch kemalistisch-laizistisch geprägten Türkei reichte).

Ein Mann der seinen opulenten Amts-Palast als Schwarzbau just in jenes Naturschutzgebiet zementierte, das Republikgründer und Nationalheld Mustafa Kemal seiner Hauptstadt als grüne Lunge spendierte? Alles, während das Land und seine Menschen unter einer astronomischen Inflation von knapp 73% (2022) leiden, gegen die der „starke Mann“ willen- und/oder machtlos scheint.

Ja, warum machen die das? Die Antwort ist denkbar einfach:

Muskelspiel und Baklava

Wer ins Fitness geht um seinen Body zu builden, der weiß, dass es damit nicht getan ist. Ohne strenger Diät und Ernährungsplan geht gar nichts. Junkfood gibt’s, wenn überhaupt, dann nur in homöopathischen Dosen - sonst ist das hart erarbeitete Sixpack schnell wieder weg.

Wie toll wäre es, beides kombinieren zu können: Muskelspiele und Baklava sozusagen. Oder anders gesagt: Sich die honiggetränkten Rosinchen herauszupicken und trotzdem einen auf „starker Mann“ machen?

Und genau das ist es, was unsere Türken-Communities tun. Weil sie es können.

Westliche Lebensart – soweit es gefällt, Sozialsysteme – soweit wie möglich, Arbeitssicherheit, Jobs und Einkommen – natürlich. Und das Ganze noch garniert mit einer fetten Ladung Erdo-Nationalstolz. Geht sich alles aus. Bei uns.

Wer deshalb darauf hofft, dass Austro-Türken ihren Brüdern und Schwestern zu Hause gerne dieselben Chancen und Möglichkeiten eröffnen möchten, der irrt.

Zudem geht’s uns ja auch gar nichts an.

Wichtiger als über das (noch) demokratische Wahlergebnis eines (glücklicherweise) nicht-EU Staates zu jammern, sollte man sich überlegen, wie mit Nationalismus im eigenen Land umzugehen ist. Nicht nur, aber gerade, wenn er aus dem Ausland kommt. Stichwort „Wolfsgruß“.

Und wie weit ist eigentlich die Geschichte mit den versteckten Doppelstaatsbürgerschaften? Interessiert das überhaupt noch jemanden? Oder hat man sich schon darauf eingestellt, die Erdo-Fans mit maßgeschneiderter Werbung auf Türkisch „abzuholen“. Immerhin, nächstes Jahr sind Nationalratswahlen und da zählt bekanntlich jede Stimme.

(Kolumne erschienen auf exxpress.at am 02.06.23)





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